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Automobilindustrie unter Druck: Strategien zu resilienteren Lieferketten
Die Automobilindustrie ist eine der komplexesten Branchen weltweit und stellt mit ihren Lieferketten hohe Anforderungen an die Beteiligten.
In den letzten Jahren ist sie mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert worden, die zu Unsicherheiten und Störungen in den Lieferketten geführt haben. Dieser Blog-Beitrag untersucht die Ursachen für die Unsicherheiten in den Lieferketten der Automobilindustrie, die daraus resultierenden Herausforderungen und mögliche Lösungsstrategien. Dabei wird auch die Bedeutung von Qualitätssicherung und Umweltschutz in diesem Kontext beleuchtet.
Warum sind die Lieferketten unsicher?
Der Begriff „Black Swan“ beschreibt ein unerwartetes und unwahrscheinliches zukünftiges Ereignis mit erheblichen Auswirkungen. Diese Ereignisse sind so selten, dass sie außerhalb der normalen Erwartungen liegen und nicht durch bekannte Fakten vorhersehbar sind.
Die Lieferketten der Automobilindustrie wurden in den letzten Jahren vermehrt zum Opfer dieser schwarzen Schwäne. Beispiele dafür sind:
- Die COVID-19-Pandemie: Die COVID-19-Pandemie hat die Automobilindustrie erheblich beeinträchtigt, da Lockdowns und Unterbrechungen in den Lieferketten zu Engpässen bei Rohmaterialien und Autoteilen führten. Die Schließung der Automobilindustrie in China zu Beginn der Pandemie führte zu einem Mangel von bis zu 1,7 Millionen Autoteilen. Die Pandemie führte auch zu Unterbrechungen in den Lieferketten für Silizium, das Material, aus dem Chips hauptsächlich bestehen. Hersteller konnten entweder zeitweise nicht arbeiten oder der Transport zu den Fabriken stockte aufgrund lokaler Sperrungen.
- Der Krieg in der Ukraine: Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine hat zu zusätzlichen Engpässen und Störungen auf der Angebots- und Nachfrageseite geführt. Hersteller und Zulieferer reagierten mit Produktions- und Verkaufsstopps in Russland, und die Kriegshandlungen führten zu Unterbrechungen in den Lieferketten. So sind beide Länder wichtige Lieferanten von Komponenten für die europäische Automobilindustrie, wie Kabelbäume aus der Ukraine und Palladium aus Russland.
- Der Brexit: Der Brexit hat die Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU verändert und Unsicherheit in der Automobilindustrie ausgelöst. Die enge Zusammenarbeit, die zuvor auf dem gemeinsamen Binnenmarkt basierte, musste neu geregelt werden, und die Unsicherheit führte dazu, dass Investitionsentscheidungen zurückgestellt wurden. Die durch den Brexit verursachten Zölle und regulatorischen Änderungen haben zu operativen Herausforderungen und einem Anstieg der Bürokratie geführt, was die europäischen Lieferketten verkompliziert und weniger attraktiv für internationale Handels- und Investitionsbeziehungen macht.
- Chip-Knappheit: Die Chip-Knappheit hat die Automobilindustrie erheblich beeinträchtigt und zu Produktionskürzungen bei Branchenführern geführt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen hat sich die Automobilindustrie strukturell verändert, und sowohl konventionell angetriebene Fahrzeuge als auch Elektroautos benötigen eine große Menge an Chips. Zum anderen hat die Pandemie zu Unterbrechungen in den Lieferketten für Chips geführt, und Naturkatastrophen wie eine Dürre in Taiwan und ein Kälteeinbruch in den USA haben die Situation noch verschärft.
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Herausforderungen in den Lieferketten
Die oben genannten Ereignisse haben bereits bestehende Probleme offengelegt und leisten einen zusätzlichen Beitrag zu den vielen Herausforderungen der Automobilindustrie in Sachen Lieferketten:
- Mangelnde Transparenz globaler Lieferketten: Die Automobilindustrie ist von Natur aus komplex, mit einer durchschnittlichen Anzahl von 30.000 Komponenten pro Fahrzeug, kann selbst ein kleiner blinder Fleck erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Beschaffungsprozess haben. Dieser Mangel an Transparenz wird durch die Globalisierung der Lieferketten noch verschärft, die oft über mehrere Kontinente hinweg verlaufen und eine Vielzahl von Unternehmen umfassen. Eine Schraube, die in Ostasien hergestellt wird, durchläuft beispielsweise viele Fließbänder in anderen Ländern, bevor sie schließlich in einem Pkw verbaut wird, der in einem europäischen Autohaus landet.
- Steigende Kosten: Die pandemiebedingten Störungen und die steigenden Energiepreise haben zu höheren Kosten für die Hersteller geführt, was es schwieriger macht, langfristige Strategien zu verfolgen und in resilientere Lieferketten zu investieren.
- Umweltschutz: Getrieben durch immer stärkere Regulierungen sowie durch ein zunehmendes Kundenverlangen stehen Umweltschutz und Emissionsreduzierung im Fokus der Branche. Die Verbrauchernachfrage nach Elektrofahrzeugen und strengere Emissionsvorschriften bedeuten, dass grüne Initiativen für Hersteller und Partner unerlässlich sind. Das betrifft auch die Logistikpartner.
Mögliche Lösungen für unsichere Lieferketten
Um die Herausforderungen zu bewältigen und die Stabilität der Lieferketten zu verbessern, können mehrere Strategien in Betracht gezogen werden:
- Verbesserte Kommunikation und Zusammenarbeit: Der Einsatz von Software für Echtzeitkommunikation und die Zentralisierung aller Kommunikationskanäle sorgt für einen effizienteren Datenaustausch zwischen allen Beteiligten. Das stärkt die Beziehungen zu den Zulieferern und erhöht gleichzeitig die Robustheit der Lieferkette, indem Engpässe frühzeitig erkannt werden.
- Lieferantenmanagement: Die Pflege von Beziehungen zu Lieferanten, die auf Offenheit, Vertrauen und Kommunikation basieren, ist unerlässlich für eine stabile Lieferkette. Dies kann durch den Einsatz von Lieferantenmanagement-Software unterstützt werden, um eine reibungslose und effiziente Kommunikation zu gewährleisten. Lieferantenmanagement-Software kann auch dabei helfen, die Lieferantenbasis transparenter zu machen, um Vergleiche zwischen Lieferanten zu ermöglichen und so die strategische Planung zu verbessern.
- Resilienz und Flexibilität: Die Lieferketten müssen widerstandsfähiger gegenüber unerwarteten Herausforderungen werden. Dies kann durch die Einführung von Prozessen zur Überwachung und Warnung bei Lieferengpässen, den vereinfachten Zugang zu Lieferdaten und flexible, schnelle Onboarding-Verfahren erreicht werden.
- Electronic Data Interchange (EDI): Der Einsatz moderner EDI-Lösungen, kann die Komplexität der globalen Lieferketten bewältigen und die Flexibilität, Transparenz und Planungsfähigkeit der Unternehmen verbessern. EDI ermöglicht den direkten und automatisierten Austausch von strukturierten Geschäftsinformationen zwischen den IT-Systemen von Geschäftspartnern über standardisierte Schnittstellen und Formate. Dies kann den manuellen Aufwand bei der Abwicklung eingehender Bestellungen reduzieren und die Effizienz steigern. EDI-as-a-Service ist eine attraktive Lösung, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen, da es eine kostengünstigere Alternative zum klassischen EDI darstellt. Bei EDI-as-a-Service wird das System vom Dienstleister bereitgestellt und betrieben, was den Bedarf an tiefergehendem Know-how, Installation und Eigenbetrieb reduziert. Dies ermöglicht es Unternehmen, die Vorteile von EDI zu nutzen, ohne in teure Ausrüstung investieren zu müssen.
- Neuausrichtung der Lieferketten: Die Abhängigkeit von bestimmten Lieferanten oder Regionen kann reduziert werden, indem neue, konforme Lieferanten schneller und flexibler an Bord geholt werden. Dies kann die Einhaltung von Vorschriften erleichtern und die Auswirkungen von Störungen minimieren. Die Diversifizierung der Lieferantenbasis kann auch dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit der Lieferkette zu erhöhen und das Risiko von Unterbrechungen zu verringern. Eine 2023 veröffentlichte Studie von Capgemini belegt, dass die Beschaffung von Offshore-Standorten in der Automobilindustrie seit 2021 weltweit um 22 % zurückgegangen ist. In Deutschland fällt der Rückgang mit 27 % dabei am höchsten aus. Bis 2025 wird ein weiterer weltweiter Rückgang um 19 % erwartet.
- Technologien für mehr Transparenz: Die Einführung von Technologien wie Blockchain kann die Echtzeitverfolgung und Rückverfolgbarkeit von Waren in der Lieferkette verbessern. Dies erhöht die Transparenz und ermöglicht eine bessere Entscheidungsfindung. Durch die Verbesserung der Sichtbarkeit können Automobilhersteller besser auf Unterbrechungen reagieren und proaktiv Maßnahmen ergreifen, um die Auswirkungen zu minimieren.
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Qualitätssicherung und Umweltschutz in der Automobilindustrie
Qualitätssicherung (QS) und Umweltschutz sind entscheidende Aspekte in der Automobilindustrie, die eine wichtige Rolle bei der Sicherung von Lieferketten und der Gewährleistung der Produktqualität spielen.
Qualitätssicherung
Qualitätssicherung zielt darauf ab, Vertrauen in die Erfüllung von Anforderungen an die Produkt- oder Dienstleistungsqualität zu schaffen. Dabei gibt es zwei Hauptansätze: die statische und die dynamische Qualitätssicherung. Bei der statischen Qualitätssicherung werden die Qualitätsparameter extern vorgegeben und von mehreren Vertragspartnern vereinbart. Externe Auditoren führen regelmäßig Prüfungen durch und teilen dringende Maßnahmen mit. Bei der dynamischen Qualitätssicherung steht hingegen die eigenverantwortliche Entwicklung der Organisation im Vordergrund, ohne externe Vorgaben.
Im Bereich der Automobilindustrie ist Qualitätssicherung unerlässlich, um fehlerfreie Komponenten in der Produktion zu gewährleisten und die Ursachen von Fehlern zu identifizieren und zu beheben. Einige Drittanbieter haben sich auf Dienstleistungen zur Qualitätssicherung in der Lieferkette spezialisiert. EuroQ beispielswiese bietet technische Qualitätsservices an, um OEMs und Zulieferern in der Automobilindustrie zu helfen. Dazu gehören Inspektionsservices für ein- und ausgehende Waren sowie Umpack- und Umetikettierungsservices. Darüber hinaus können Unternehmen wie Optimas, die sich auf Verbindungselemente und C-Klasse-Produkte spezialisiert haben, eine entscheidende Rolle bei der Rationalisierung von Lieferketten spielen. Durch die Standardisierung von Befestigungskomponenten kann die Herstellung von Fahrzeugen und deren Komponenten vereinfacht werden, was zu Zeit- und Kosteneinsparungen führt. Optimas bietet außerdem Vendor Managed Inventory (VMI)-Services. Durch die Übernahme der Verwaltung des Lagerbestands für die Kunden tragen sie zu einer effizienten und kostengünstigen Lieferkette bei.
Umweltschutz
Der Umweltschutz ist in der Automobilindustrie von zunehmender Bedeutung. Hersteller müssen sich an strengere Emissionsvorschriften halten und den Verbraucherwunsch nach Elektrofahrzeugen berücksichtigen. Dies erfordert die Zusammenarbeit mit neuen Lieferanten, die sich auf Elektrofahrzeuge spezialisiert haben, sowie die Umsetzung von Initiativen zur Emissionsreduzierung.
Automobilhersteller sind in diesem Kontext mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. So verzögern sich Initiativen zur Kreislaufwirtschaft, da es einen Mangel an Lieferanten von (Recycling-)Materialien gibt. Zudem müssen Bestrebungen zur Nachhaltigkeit und zur Kreislaufwirtschaft mit Faktoren wie Kosten und Erschwinglichkeit in Einklang gebracht werden.
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Fazit
Die Sicherung der Lieferketten in der Automobilindustrie erfordert eine Kombination aus verbesserten Kommunikations- und Zusammenarbeitsprozessen, resilienten und flexiblen Systemen, der effektiven Nutzung technologischer Lösungen und einen starken Fokus auf Qualitätssicherung und Umweltschutz. Durch die Umsetzung dieser Strategien können die Hersteller die Auswirkungen von Störungen minimieren und widerstandsfähigere und produktivere Lieferketten aufbauen.